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Der weiße Raum

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 2009 konnte ich im Jahresheft des Pomologen-Vereins

(S. 126/127) eine Abhandlung zu meinen Botanischen Portraits veröffentlichen, die ich hier in verkürzter Form wiedergebe. Sie bezieht sich auf die Entstehungsgeschichte des nebenstehenden Aquarells

Luxembourgs Bongerten und bringt Grundsätzliches zu meiner Malerei

Auf der Kellertreppe reihen sie sich, die kleinen, offenen Papiertüten. Mit jeweils zwei sortengleichen Äpfeln oder Birnen gefüllt, sind sie mit vielen handschriftlichen Notizen zu den Sorteneigenschaften versehen. Auf zahlreiche Besonderheiten hingewiesen hatte mich ein erfahrener Pomologe aus Luxemburg. Dieser Anblick der malbereit wartenden und erlesenen Exemplare einiger alter Sorten begleitete die dreimonatige Entstehungszeit eines Obstbildes, das den alten Streuobstsorten Luxemburgs gewidmet ist. Wenn man es heute sieht, denkt man, das Obst sei sanft aus einem Füllhorn gerollt. Das üppige und doch lockere Nebeneinander der vielen maßstabsgetreu gemalten Früchte lädt zum Raten und Vergleichen der Sorten ein, oder einfach dazu, die optische Fülle zu genießen. Ein Bild der Sortenvielfalt, das auf seine Art über die einfache botanische Illustration hinausgeht. Der Pomologe, der botanische Experte und der Bilderliebhaber werden gleichermaßen angesprochen.

 

Nichts ist so geeignet, eine detailreiche Darstellung wie ein Pflanzenportrait zu steigern, wie der weiße Papierhintergrund. Das wurde sicher immer schon beim Anblick alter botanischer Illustrationen empfunden. Für mich bedeutet die Inszenierung meiner Pflanzen- und Fruchtdarstellungen, daß dem weißen Hintergrund in der Komposition eine besondere Rolle zukommt: er steht für alle denkbaren natürlichen Umgebungen des Motivs. Nicht nur als zufällig frei gebliebenes Papier, sondern als planvoll eingesetzter, sphärisch lichter Raum umspielt und verstärkt er die ausdrucksvollen, nuancenreichen Darstellungen.

 

Dieser ins Weiß verdichtete Raum ist der perfekte Gegenspieler zu den Strukturen des Dargestellten. Der weiße Raum läßt der Darstellung den Vortritt und richtet noch ein Scheinwerferlicht auf sie. Damit wird es gnadenlos für den Maler. Er gibt sich schwere gestalterische Bedingungen, indem er auch die weiße Fläche der Komposition dreidimensional durchdenken muß. Ist der Weißraum definiert, muß er in seiner Reinheit über den ganzen Schaffensakt hinweg geschützt werden.

Ein überzeugend gestaltetes Pflanzenportrait muß die Illusion des Lebendigen aus der Kraft der eigenen Darstellung ziehen. Dabei hat es die Pflanzendarstellung nicht leicht zu bestehen. Allein den Umrissen des Portraits im Aquarell kommt eine erhebliche Bedeutung zu und das malerische Können teilt sich auch dem ungeübt Sehenden mit.

 

Bei der emotionalen Annahme eine botanischen Darstellung durch den Betrachter spielt eine große Rolle, daß er nur gut sieht, was er kennt. Die Äpfel, die man in Großvaters Garten naschte und die im Lagerkeller auch noch stark dufteten, werden eher gemocht und als richtig dargestellt erkannt, als die exotische Frucht, die man noch nie in der Natur bewundern konnte.

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